Montag, 19. April 2021

Auf Kriegsfuß mit Übersetzungstools

 In Zeiten des digitalen Unterrichts erhält man von bekanntlich schwachen DaF Schülern im Classroom wie Entschuldigung für die verspätete Lieferung oder Bevorzugst du ein besonderes Format?, also plötzlich so hochtrabende Ausdrucksweisen.

Man erarbeitet manchmal im virtuellen Raum mühsam kleine Wortschatzlisten aus gemeinsam gelesenen Texten, didaktisch genau richtig überlegt: themenbezogen, aus dem Text heraus erschlossen, aufgelistet, geübt, gefestigt. Die Lern-Vokabeln lauteten in meinem Fall: Ratschlag geben / ausschimpfen/ das Vertrauen, vertrauen / die Erlaubnis, erlauben/ das Verbot, verbieten/ usw. Meine Schüler sollten dann die neuen Vokabeln in einer eigenen kleinen Textproduktion anwenden. Und so lautete das Ergebnis: Die Erziehungsberechtigten haben Tom bestaft, weil er ungehorsam war. Deshalb genehmigen sie nicht, dass er ausgeht.

Und ich dachte: “Verfluchte Übersetzungsprogramme. Translator eingeschaltet, Gehirn ausgeschaltet.”

Eine neue Lage für uns Lehrer: Smartphone, Computer und Internet sind nun übliche Hilfsmittel und jeder schlaue Schüler greift schnell zum Übersetzungsprogramm, statt eigenen, manchmal etwas verrosteten Wortschatz aus dem Langzeitgedächtnis aufzurufen. Ganz typisch menschlich rational: Handeln nach dem Minimalprinzip. Der Schüler erreicht das Ziel mit weniger eigenem Aufwand, er delegiert die Aufgabe fremden Algorithmen. Und wir Lehrer ärgern uns.

Aber warum? Lautet doch eine alte Volksformel „Ärgere dich nicht, über Jenes, dass du nicht ändern kannst.“ All die Versuche den Schülern ins Gewissen zu reden, Kamera-Überwachung einzuführen oder vielleicht sogar irgendwelche „Bildschirmseitenblockaden“ einzusetzen sind nicht nur Quijote Kämpfe gegen Windräder, sondern auch sinnlos.



Sind Smartphone mit Online Wörterbüchern und Übersetzungstools denn nicht ein Teil unseres Alltags? Können denn unsere Schüler im „wahren“ Leben nicht ganz natürlich davon Gebrauch machen? Warum sind Schulen und Lehrer immer bestrebt, eine Parallelwelt zu schaffen, die abweicht von der „wahren“ Welt, anstatt die Schülerkompetenzen zu fördern, die sie wirklich brauchen? Sollten wir sie nicht den richtigen Umgang mit diesen modernen technischen Hilfsmitteln lehren, statt die Schule in ein mittelalterliches Rollenspiel zu verwandeln, und uns gegen die Werkzeuge zu wehren?

Die Schüler sollten in gezielten Übungen lernen, dass man die Übersetzung einmal in die Zielsprache und dann noch einmal die Rückübersetzung als Sicherung machen sollte. Sie sollten ausprobieren, ob das Wortumfeld das Ergebnis der Übersetzung beeinflusst, sie sollten die Leistung verschiedener Tools miteinander vergleichen und sollten wissen, wie das Tool mit Zusammensetzungen umgeht. Kompetenzorientierter Unterricht nennen das die Experten.

Ich persönlich werde mich also nicht mehr darüber ärgern, wenn die strebsamen, bemühten Schüler Übersetzungstools gebrauchen, ich werde versuchen ihnen dabei zu helfen, sie effizient und effektiv zu nutzen.


Fazit: Natürlich müssen sie nach wie vor Vokabeln lernen und ordentlich pauken, die Frage ist nur wie.



https://www.hosteurope.de/blog/kostenlose-online-uebersetzungstools/


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